Das Tarpaulin, oder kurz Tarp, hat mittlerweile längst den Weg in die Bereiche Outdoor-Sport und Militär gefunden. Auf dem Markt gibt es unzählige Varianten, von der Baumarkt-Plane bis hin zu Goretex-Vertreter mit Infrarot-Unterdrückung.
thrush hat sich einen Vertreter aus dem Mittelfeld, das Tasmanian Tiger Shell, mal genauer angesehen und ein ausführliches Review darüber geschrieben.
1. Einleitung
Dass Tarps dem Zelt in den meisten Bereichen überlegen sind, ist mittlerweile hinreichend bekannt. Sie sind definitiv billiger als qualitativ vergleichbare Zelte, vielseitiger und anpassungsfähiger, leichter und – betrachtet man auch militärische Faktoren – unauffälliger und viel besser abzutarnen. Aber auch im zivilen Bereich benutzt man gerne vorzugsweise Ausrüstungsgegenstände, die vielseitig einsetzbar sind. Ein Zelt ist eben nur ein Zelt – ein Tarp kann viel mehr.
Durch eine Rabattaktion bei www.militaerbestaende.de wurde ich auf das Tasmanian Tiger „Shell“ (engl. „Schale, Hülle“) aufmerksam. Von 85,-€ auf 43,-€ reduziert – aber was ist dieses „Shell“ überhaupt?
Die Produktbeschreibung dort sagt folgendes: „Die perfekte Symbiose aus Abspannplane und Poncho verschiedene verstärkte Abspannpunkte NEU: (…) vorgeformte Kapuze“
Klingt nach genau dem, wonach ich lange Zeit gesucht habe. Eine Kombi aus Tarp und Regenponcho zu guter Qualität und Preis, und natürlich nicht rosafarben. Also zugeschlagen. Tasmanian Tiger ist ja sowieso für recht hohe Qualität bekannt, daran ändern auch Produktionsauslagerungen nach Fernost nichts.
Der Tasmanian Tiger Range Pack Rucksack (siehe unserer Test) zum Beispiel lässt an Verarbeitung und Komfort so gut wie keine Wünsche offen. Warum aber 43,-€ oder mehr für einen Poncho ausgeben, wenn es den BW Poncho doch viel billiger gibt? Auch diese Frage möchte ich in diesem Testbericht beantworten, indem ich die Shell auch am betagten BW Poncho messe. Letztendlich möchte ich natürlich die Stärken und Schwächen benennen.
2. Zahlen und Fakten, Aufbau
Zunächst einmal ein paar Zahlen. Die Maße des TT Shells betragen 280x175cm (im Vergleich: BW Poncho 215x160cm). Es ist damit über 40% größer als der BW Poncho und für eine Person groß dimensioniert, um auch bei windigem Regenwetter nicht nass zu werden. Das Gewicht beläuft sich auf gemessene ~750g (laut Hersteller 800g), was für ein Tarp gut ist (das Tacgear Tarp wiegt 650g – Herstellerangabe). Damit ist es aber immer noch 40% leichter als der BW Poncho (gemessen ~1050g). Trotz der Größe passt das TT Shell bequem in die Wilderertasche eines Smocks.
Abb. 1-3: Logo, Abmessung, TT Shell in Wilderertasche eines Smocks
Zum Aufbau. Das Shell verfügt über insgesamt zwölf verstärkte Abspannpunkte (Schlaufen aus Gurtband), an jeder Ecke befindet sich einer. Die restlichen acht sind an den Seiten verteilt und teilweise zusätzlich mit Ösen und Knöpfen versehen. Hinzu kommen drei verstärkte Abspannpunkte in der Mitte des Shells, um es z.B. nach oben zu spannen (gegen Wassersack-Bildung bei Regen).
Abb. 4-6: Schlaufen und Abspannpunkte von oben und unten
Insgesamt verfügt das Shell über 18 Knöpfe. Mittig an einer Seite befindet sich die Vorrichtung, aus der sich eine Kapuze formen lässt, bestehend aus einer eingearbeiteten Kunststoffleiste mit einer Schnur und Kordelstopper. Benötigt man sie nicht, lockert man die Kordelstopper und die Kapuze ist „flach“ und „verschwindet“ sozusagen. Wenn man das Shell als Regenponcho benutzen möchte, zieht man die Kordelstopper an, die Kunststoffleiste biegt sich und es bildet sich eine Kapuze mit einem kleinen Schirm.
Abb. 7-9: Schlaufen, Ösen, Knöpfe und Kapuze, einmal flach, einmal gebogen
Der große Vorteil: Man hat nicht mittig in der Shell ein „Loch“ wie beim BW Poncho. Das alles funktioniert auch recht gut und schnell – der Kopf ist vor Regen geschützt, und die Kapuze sitzt recht stabil ohne ins Gesicht oder über die Augen zu fallen. Allerdings wird das Sichtfeld etwas eingeschränkt, ein Boonie unter der Kapuze wirkt hier Wunder. Anschließend wird das Shell zusammengeknöpft und die Reißverschlüsse der Armdurchgriffe geöffnet. Diese sind verdeckt aber nicht wasserdicht, und tragen leider kein Gütesiegel à la „YKK“ oder ähnliches.
Abb. 10-12: Kapuze, Reisverschlüsse und Armdurchgriffe
Der Rucksack und sämtliche weitere Ausrüstung, die man so am Mann trägt, finden bequem unter unserem Shell Platz.
Abb. 13-15: TT Shell mit Rucksack
Bei dem verwendeten 186T Polyester, welches auch oft für Zelte verwendet wird, bleibt auch mit Sicherheit alles trocken – es handelt sich immerhin um eine beeindruckende 8000mm Wassersäule. Der Polyester ist leicht, reißfest, UV-beständig und geruchsneutral. Wer hat noch nicht einen BW-Poncho-Träger fluchen hören, wie sehr sein Poncho doch stinkt – diese Zeiten gehören mit dem Shell der Vergangenheit an. Es findet auch so gut wie keine statische Aufladung statt. Einziger Nachteil des Materials ist, dass es ein wenig raschelt. Bewegt man sich aber langsam und unauffällig, ist die Geräuschentwicklung aber durchaus zu vernachlässigen. Außerdem werden die Regentropfen lauter sein, als das Material.
Ein anderer kleiner Nachteil des Hightech-Materials ist seine Empfindlichkeit gegenüber Feuer und Funkenflug (im Gegensatz zum BW Poncho, der Funken auch mal standhalten kann). Es wird vor allem in den kälteren Monaten oft vorkommen, dass man direkt vor seinem Unterschlupf ein wärmendes Lager-/Grubenfeuer machen möchte, vor allem, wenn man kältere Nächte überstehen muss (oder in Survival-Situationen). Hier muss man gegebenenfalls den Abstand zwischen Unterschlupf und Lagerfeuer etwas größer dimensionieren. Da aber moderne Funktionsbekleidung und -ausrüstung eh oftmals aus feuerempfindlichem Polyester oder anderen Kunstfasern besteht, ist hier aber sowieso Vorsicht geboten, sodass dem Shell hier keine Sonderstellung zukommt.
Der Farbton ist ein unauffälliges, neutrales oliv, welches leider ein wenig glänzt, wie die meisten Tarps. Es ist auch in Flecktarn erhältlich, z.B. bei ASMC. Die aufgebrachten Taschen sind eher unnütz, sie kommen vermutlich zum Einsatz, wenn man das Shell als Zelt mit Schrägdach aufbaut. Weiterhin sind zwei Ecken des Shells abgeschrägt (dies betrifft die zwei Ecken der der Kapuze gegenüberliegenden, langen Seite des Shells), was sich beim Aufbau eines Unterschlupfs als hinderlich erweisen wird…
Abb. 16 und 17: Aufgenähte Taschen, abgeschrägte Ecken
3. Praxistest
Wie schon in der Einleitung erwähnt, ist ein Tarp vielseitig einsetzbar, z.B.:
– Bau eines Unterschlupfs
– Regenponcho
– Sonnenschutz
– Biwaksack
– Unterlage
– Tragesack
– improvisierte Trage, Segel
– als Wärmereflektor des Lagerfeuers
– Auffangen von Regenwasser usw.
Doch wo Licht ist, ist auch Schatten. Eine große Schwäche des TT Shells: Knöpft man zwei Shells aneinander (zum Beispiel um einen improvisierten Kommandostand für mehrere Personen einzurichten), so überlappen sich diese nicht wie beim BW Poncho, sondern bilden immer einen „Schlitz“, durch den Regenwasser eindringen kann. Warum Tasmanian Tiger hier nicht mitgedacht hat, ist mir absolut unverständlich, denn diese Schwäche entdeckt man innerhalb weniger Minuten, und die Konkurrenz macht das besser (Tacgear Tarp). Vielleicht hat ja jemand eine Idee, warum sich TT für diese Bauart entschieden hat – eventuelle Vorteile kann ich bisher jedenfalls nicht erkennen.
Zum allgemeinen Sinn des Produktes werden sich bestimmt unterschiedliche Meinungen im Netz finden. Die Auswahl an Produkten zum Schutz vor Regen bzw. zum Bau eines Unterschlupfes ist riesengroß, und TT versucht hier, beides zu kombinieren in einer „eierlegenden Wollmilch-Sau“. Während das Shell mit „reinen“ Tarps anderer Hersteller (d.h. ohne Poncho-Funktion) bis auf einige Schwächen mithält, kann es aber bei längerem Dauerregen nicht den Bundeswehr Nässeschutz ersetzen, da sich dieser auf Dauer komfortabler trägt. Für den plötzlichen Schauer ist es aber durchaus ausreichend sowie viel schneller hervorgeholt und übergeworfen, und verschwindet auch genauso schnell wieder. Außerdem wird sämtliche Ausrüstung, ob Waffe, Weste oder Rucksack ebenfalls geschützt (Abb. 13-15).
Auf der OP Lost Patrol, bei der drei Tage lang keine zwei Stunden ohne Niederschlag vergingen, war das Shell vor allem bei schnell einsetzenden stärkeren Regengüssen hilfreich. Allerdings ist ein Dauereinsatz eventuell problematisch. Grund dafür ist, dass man natürlich eine größere Kontur wirft, die schneller auszumachen ist. In der Praxis habe ich also wie gesagt das Shell eher selten benötigt, da ich es hier mit kontinuierlichem, leichten Regen zu tun hatte, und mein Smock und Hose ausgereicht haben. Alle Fotos dieses Artikels sind an einem anderen Event entstanden.
Ich habe das Shell aufgebaut und aus Vergleichs- und Testzwecken nur zur Hälfte abgetarnt. Hierbei fielen vor allem die abgeschrägten Ecken negativ auf, da man an diesen im Grunde zweimal abspannen muss, sonst geht Fläche verloren. Einen Vorteil dieser Bauweise konnte ich nicht erkennen. Man kann es durch die vielen Abspannpunkte bequem überall aufbauen, und durch die vielen mittigen Abspannpunkte das Einsacken durch Tarnmaterial oder Wassersäcke effektiv verhindern. Abgespannt ist die Größe für eine Person absolut ausreichend.
Abb. 18-20: Tarp aufgebaut und teilweise abgetarnt
Außerdem unternahm ich noch einen Härtetest unter der Dusche, um zu sehen, ob und wenn ja wo Wasser durchdringt. Dabei blieb Kopf, Gesicht und Kleidung erstaunlich trocken. Trotzdem konnte an den Knöpfen vorne natürlich Wasser durchdringen und das Shell wurde von innen vorne nass, da es sich halt nur um Knöpfe und nicht um einen Reißverschluss handelt. Da ich das Shell mit den Armen vorne auf Abstand hielt, blieb ich trotzdem trocken. Auch die Kapuze hat den Duschstrahl wunderbar abgehalten, Haare und Gesicht wurden nicht nass. Test bestanden.
Weiterhin habe ich in der Badewanne die Wassersäule und die Reißverschlüsse getestet. Dazu formte ich aus dem Shell einen Beutel und gab nach und nach einen Liter Wasser hinzu. Während die Reißverschlüsse schon beim ersten Liter Wasser erwartungsgemäß undicht waren (ein kleiner Strahl Wasser dringt durch), hielt das Shell ansonsten beachtliche 6 Liter Wasserdruck stand, bevor erste Tropfen durch das Material drangen. Man kann also davon ausgehen, -sollte- sich doch mal ein Wassersack bilden, bleibt man trotzdem trocken, solange sich dieser nicht genau auf einem der Reißverschlüsse bildet. Auch diesen Härtetest kann man also guten Gewissens als „bestanden“ bezeichnen.
4. Fazit
Pro und Contra ohne Gewichtung und in zufälliger Reihenfolge:
Pro:
– universell
– sehr leicht
– gutes Verhältnis aus Gewicht, Größe, Packmaß und Stabilität
– als Regenponcho zu verwenden, Armdurchlass
– in wenigen Sekunden anzulegen
– klein genug für die 1st line
– extrem hohe Wassersäule
– viele Abspannpunkte, Ösen und Knöpfe
– gute Farbgebung von beiden Seiten
– preislich sehr attraktiv
– geruchsneutral
Contra:
– nur eingeschränkt kombinierbar mit weiteren Shells, da nicht überlappend
– nicht atmungsaktiv und liegt nicht eng an
– Sichtfeldeinschränkung
– abgeschrägte Ecken
– keine Markenreisverschlüsse
– leichte Geräuschentwicklung des Materials
– kein Packsack im Lieferumfang
– glänzt leicht, gehört wie alle Tarps gut abgetarnt
– empfindlich gegenüber Funkenflug und Perforation mit spitzen Objekten
Vergleich mit BW Poncho:
Vorteile des TT Shells:
– stinkt nicht!
– ~ 40% leichter
– ~ 42% größer in der Fläche bei kleinerem Packmaß
– RV-Durchlass für Arme
– Kapuze bilder kein mittiges Loch
– Kapuze mit kleinem Schirm zum besseren Regenschutz
– mehr Abspannpunkte und Ösen, auch zentral gegen Wassersäcke
Vorteile des BW Poncho:
– besser erweiterbar mit weiteren Ponchos
– besserer Schutz vor Perforation
– günstiger
– Schutz vor ABC-Angriffen (*räusper*)
Gewichtet man diese Punkte, ist der Sieger klar das TT Shell. Es ist so vielseitig, dass es ab sofort seinen Platz in meiner 1st-line findet. Der BW Poncho hat ein für allemal ausgedient. Kauftipp!