George Armstrong Custer (* 5. Dezember 1839, † 25. Juni 1876)
Eigentlich hat George Armstrong Custer in dieser Ruhmeshalle nichts zu suchen – schlicht, weil er nie einen richtigen Generalsrang innehatte. Aber weil Custer wohl einer der berühmtesten Kasperköpfe war, der je seine Soldaten aus Eitelkeit und Dummheit umgebracht hat, hat er sich doch ein Plätzchen unter den militärischen Versagern aller Zeiten verdient.
Custer war eigentlich beim Militär fehl am Platz. Ein Selbstdarsteller wie er hätte eher auf eine Theaterbühne oder in den Versicherungsaußendient gehört. Da dort aber weit weniger schicke Uniformen getragen werden als beim Militär, scheint sich Custer dann doch eher, sehr zum Pech seiner zukünftigen Opfer, für die harte militärische Laufbahn entschieden zu haben.
Apropos hart: jemand wie Custer verstand sich meisterlich darauf, sich den Militärdienst so angenehm wie möglich zu gestalten. Seine Verwarnungen wegen Disziplinlosigkeiten waren bereits zu seinen Westpoint-Zeiten Legende. Er erhielt insgesamt 360 Verweise in Westpoint und es fragt sich, warum Gott ihm nicht die 100 Verweise pro Jahr geben hat lassen, die seinen Ausschluss bedeutet hätten. Wahrscheinlich wollte er den Indianern eine kleine Wiedergutmachung zukommen lassen...
Wären Egomanie und Uniformdesign Prüfungsfach gewesen, so hätte Custer wohl sicher als Erster von 34 abgeschnitten – nur leider war dies nicht der Fall und Custer schloss Westpoint als Letzter von 34 ab und ich wette, seine Ausbilder waren froh, als sie ihn endlich von hinten sahen, als er, todschick gekleidet, das Gelände verließ.
Dieser zweifelhafte Ruhm hinderte den schönen George jedoch nicht daran, beim Militär zu bleiben und dort auch fürderhin Uniform, Haartracht, Selbstbild und Angeberei zu pflegen. Kein Wunder, dass er dem Stabe des ähnlich tickenden George McLellan zugeteilt wurde. Die beiden Brüder im Geiste dürften sich ganz hervorragend verstanden haben.
Bei Ausbruch des Bürgerkrieges galt Custer durchaus als kühner und schwungvoller Anführer – allerdings auch als ein wenig – nennen wir es freundlich – ungeschickt. Aber er besaß ein unschlagbares Talent, seine Dummheiten einer staunenden Öffentlichkeit als militärische Großtaten zu verkaufen. Einen erfolgreichen Angriff bezeichnete er einst als „brillantesten Kavallerieangriff in den Annalen der Kriegsgeschichte“ und während ernsthafte Generäle Custer mitleidig belächelten, klatschte das Volk dem Verkäufer Applaus.
Custer wäre gerne ein „richtiger General“ geworden, wurde jedoch wohlweißlich nur in den zeitlich begrenzten Rang eines Brevet-Generalmajors erhoben, was soviel wie „Generalmajor ehren- und gnadenhalber“ bedeutete. Custer wäre nicht Custer gewesen, wenn er nicht trotzdem das Beste aus der Situation gemacht und sich eine wirklich ganz extravagante Uniform, ganz aus Samt, Lametta und Gold bestehend, entworfen hätte. Man darf getrost davon ausgehen, dass Custer sicher nicht der talentierteste, aber definitiv der bestangezogenste Offizier der Nordstaatler war.
Vielleicht veranlasste die Schönheit des blonden Recken den Feind, ihn nicht zu töten. Auf jeden Fall überlebte Custer den Krieg und wurde 1867, nach einer mal wieder missglückten Aktion gegen Sioux und Cheyenne (Custer hatte auf Deserteure schießen lassen, den Gehorsam wie üblich verweigert, in Verfolgung eigener Absichten seinen Auftrag nicht ausgeführt und Verwundete der „Fürsorge“ der Indianer überlassen) von einem Kriegsgericht auf 12 Monate ohne Sold suspendiert statt füsiliert.
Natürlich beklagte sich Custer über diese nach seiner Meinung himmelschreiende Ungerechtigkeit und so wurde er 1868 auf Betreiben seines „alten Kumpels“, General Sheridan, wieder in den aktiven Dienst übernommen. Eine schicke Uniform muss natürlich ausgeführt werden.
Diesmal wählte Custer als Laufsteg ein Indianerdorf der Cheyenne, das seine Soldaten mit Mann, Maus, Frauen und Kindern komplett ausradierte. Fortan trug er bei den Indianern den unehrenhaften Beinamen „Squaw-Killer“.
In der Zwischenzeit gab der heldenhafte Custer dann wunderbare Zeitungsinterviews, in denen er seinen Vorgesetzten, unter anderem seinem ehemaligen Gönner Sheridan, Bestechlichkeit unterstellte, ohne natürlich diese Vorwürfe auch mit Beweisen zu unterlegen, löste 1874 nebenbei einen Goldrausch aus, als er in Interviews verbreitete, in den heiligen Bergen der Indianer sei Gold gefunden worden und wurde Anfang 1876 von Präsident Grant mal wieder aus der Armee geschmissen und nur der Fürsprache seines Freundes, General Terry, ist es zu verdanken, dass Custer 1876 dann schließlich doch noch am Feldzug gegen die Sioux in den Black Hills teilnehmen durfte.
Es wird Zeit, mit einer Legende aufzuräumen: Sieht man Filmbilder von der Schlacht am Little Bighorn, so steht der schöne Custer mit wallendem blonden Haar unter der Fahne der 7. Kavallerie und schießt tapfer aus seinem Revolver, während wildgewordene Wilde im Kreis um ihn herumreiten und niederpfeilen.
Es war ganz anders.
Custer, den Skalp vielleicht in einer Vorahnung militärisch kurz geschnitten, hatte das Kommando über eine von drei Kolonnen, die nach dem Plan Terrys die Indianer angreifen sollten. Custer, für seine spontanen Eingebungen und Einzelgänge unter Eingeweihten eher berüchtigt als berühmt, hatte den ausdrücklichen Befehl, nicht eigenmächtig zu handeln. Da Custer jedoch nur Befehle akzeptierte, die er selbst gegeben hatte und mal wieder alles besser wusste als Andere, speziell Vorgesetzte, ignorierte er diese Weisung völlig.
Vor Kameraden hatte Custer noch getönt, die „Siebente“ würde ganz alleine mit dem „Indianerpack“ aufräumen (Kunststück – bisher hatte die „glorreiche Sieben“ ja auch nur gegen unbewaffnete Kinder und Frauen „gekämpft“) und sich aus diesem stolzen Grunde auch entrüstet geweigert, Gatling-Kanonen (eine Art Vorläufer des Maschinengewehrs) mitzunehmen. Auf die gutgemeinte Ermahnung von Oberst Gibbons („Hör zu, Custer, sei nicht voreilig und warte auf uns“) hatte Custer nur mit einem sehr auslegungsfähigen „Nein“ geantwortet und war aus dem Lager galoppiert.
Der superschlaue Custer, der in Westpoint bei der Lektion „Überraschungsangriff“ wohl gerade mit wichtigeren Dingen beschäftigt gewesen war, ignorierte den Rat seiner Crow-Späher, keine Lagerfeuer zu machen und führte sein Fähnlein Wackerer so geradewegs in die Arme der Sioux-Späher, die natürlich gar nicht lange nach ihm zu suchen brauchten, um ihn zu finden. Umgekehrt hatte Custer es augenscheinlich nicht nötig, seinen Gegner auszukundschaften, sonst hätte ihm möglicherweise gedämmert, dass ein Angriff mit einer Masse von knapp 300 Soldaten gegen gerademal ca. Fünftausend bis Sechstausend Indianerkrieger nur in einem Massaker an der aus seiner Sicht falschen Seite enden kann.
Aber Custer war ja auch nur 34ster von 34. Er hatte wohl auch in Mathematik gerade gefehlt.
Die Indianer hatten mit diesem Doldi ein fast schon blamabel leichtes Spiel. Sie schickten Custer ein paar berittene Krieger entgegen, die vor seinem Schärflein scharf abbremsten und dann hastig wieder davon galoppierten. Und ich bin sicher – nicht nur die Pferde haben vor Lachen gewiehert, als sich die Bleichgesichter anschickten, sie zu verfolgen.
Custer, voller Enthusiasmus, dass „die Rothäute vor uns fliehen“, beschloss, dass seine indianischen Späher, die ihn vor einer Falle warnten, nun wirklich keine Ahnung hätten und kam auf die glorreiche Idee, seine ohnehin nur paar Männeken auch noch in drei Kolonnen zu je knapp 100 Mann zu teilen, um ein paar Tausend Indianerkrieger von drei Seiten „einzukreisen“.
Die Sache ging natürlich gründlicher schief als die Jungfernfahrt der Titanic. Der Südtrupp unter Major Reno wurde von den Sioux gleich zu Beginn an den Felswänden des Little Bighorn festgenagelt, nur um wenig später Gesellschaft von Hauptmann Benteen zu erhalten, dessen Kolonne „im Westen“ ebenfalls von den Indianern eine interessante Lektion in Sachen „Mehrheitsentscheidung“ erhalten hatte.
Nur Custer fehlte noch. Der hatte das Lager der Sioux von Norden aus angreifen wollen, musste sich dazu jedoch nicht nur drei Meilen von seinen übrigen Kolonnen entfernen, sondern zu allem Überfluss auch noch einen Fluss überqueren. Doch bevor er überhaupt einmal mehr „den brillantesten Kavallerieangriff in den Annalen der Kriegsgeschichte“ starten konnte, wurde seine Rasselbande vom Hauptteil der Sioux unter Crazy Horse hinweggefegt und eine Anhöhe hinaufgetrieben. Dort stiegen die paar Überlebenden von ihren Pferden und führten die überlieferte Darstellung auf. Lediglich ein einziges Pferd überlebte das Massaker und hat damit mehr über Kriegsgeschichte gelernt als Custer in seinem ganzen Leben. Bis auf Custer selbst wurden übrigens sämtliche Leichen entkleidet und skalpiert, was zeigt, dass Indianer einfach keinen Modegeschmack hatten und außerdem Custer zutiefst verachteten.
Um es mit den abgewandelten Worten Churchills zu sagen: Nie haben so Wenige so Viele so selbstmörderisch angegriffen. Custer selbst würde sich, Niederlage hin, Niederlage her, sicher heute ähnlich freuen, wie Käpt´n Sparrow in „Fluch der Karibik“: „Ihr seid der miserabelste Feldherr, von dem ich je gehört habe“ – „aber: Ihr habt von mir gehört!“
Berühmt ist Custer auf jeden Fall bis heute – wenn auch eher als abschreckendes Beispiel, warum strenge Auswahlkriterien für Berufsoffiziere notwendig sind.
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